Wer als HR-Leitung, Compliance-Officer oder Datenschutzbeauftragte*r mit Beschäftigtendaten arbeitet, kommt an § 26 BDSG nicht vorbei. Die Norm erlaubt derzeit, personenbezogene Daten „zur Begründung, Durchführung und Beendigung“ von Arbeitsverhältnissen zu verarbeiten – auch ohne Einwilligung. Doch seit dem wegweisenden EuGH-Urteil C-34/21 vom 30. März 2023 ist klar: Nationale Regeln müssen spezifischer sein, als es § 26 BDSG bislang ist.
Die Bundesregierung hat deshalb am 8. Oktober 2024 einen Referentenentwurf für ein eigenes Beschäftigtendatengesetz (BeschDG-E) veröffentlicht. Kommt das Gesetz, wird § 26 BDSG gestrichen.Haufe.de News und Fachwissen Solange das BeschDG jedoch nicht in Kraft ist – realistisch wohl erst 2026 – bleibt § 26 BDSG das Herzstück des Arbeitnehmerdatenschutzes.
Die Datenschutz-Grundverordnung gilt unmittelbar. Für den Job-Kontext öffnet Art. 88 DSGVO einen Spielraum: Mitgliedstaaten dürfen „spezifischere Bestimmungen“ erlassen. Genau hier sitzt § 26 BDSG – doch der EuGH hält die Generalklausel für zu allgemein und fordert konkretere Regeln.
Hierarchie in der Praxis
3 Wortlaut & Struktur des § 26 BDSG – Absätze 1 bis 4
Absatz |
Kernaussage |
Praxis-Beispiel |
Abs. 1 S. 1 |
Verarbeitung erforderlich → Arbeitsvertrag |
Lohnabteilung speichert IBAN |
Abs. 1 S. 2 |
Aufdeckung von Straftaten |
Detektiveinsatz bei Diebstahlverdacht |
Abs. 2 |
Einwilligung des Beschäftigten |
Foto auf Intranet-Who-is-Who |
Abs. 3 |
Sensible Daten (Art. 9 DSGVO) |
Gesundheitsdaten für BEM |
Abs. 4 |
Kollektivvereinbarung |
Betriebsvereinbarung „E-Mail-Monitoring“ |
4 Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung: „Erforderlichkeit“ in der Praxis
Der Dreh- und Angelpunkt des 26 BDSG Datenschutz ist die Erforderlichkeit (§ 26 Abs. 1 S. 1). Das bedeutet:
Praxis-Fall: Geotracking eines Lieferfahrers.
5 Spezialfälle
5.1 Recruiting & Bewerberpool
5.2 Personalakte
5.3 Video-überwachung
5.4 KI-gestützte Leistungsanalyse
Der BeschDG-Entwurf will erstmals Regeln für „automatisierte Entscheidungsfindung“ schaffen (§ 13 BeschDG-E). Unternehmen müssen künftig jeden Einsatz von KI schriftlich begründen und Transparenz schaffen.
6 Einwilligung nach § 26 Abs. 2 BDSG: freiwillig oder doch nicht?
Die DSGVO betont: Einwilligung muss freiwillig sein. Bei abhängigen Beschäftigungsverhältnissen ist das schwierig. Leitlinie:
Szenario |
Einwilligung zulässig? |
Alternative |
Mitarbeiterfoto Website |
Ja, freiwillig, jederzeit widerrufbar |
Publikation ohne Bild |
GPS-Tracking Außendienst |
Nein, zu hoher Druck |
Vertragliche Regelung + berechtigtes Interesse |
Gesundheits-Screening für Firmenfitness |
Ja, wenn rein freiwillig |
Anonymisierte Teilnahme |
Der BAG-Grundsatz: Fehlerhafte Einwilligung = Verarbeitung unzulässig + Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO.
7 Kollektivvereinbarungen & Betriebsrat – § 26 Abs. 4 BDSG
Betriebs- oder Dienstvereinbarungen können konkrete Regeln zu:
festlegen. Bedingungen:
Der EuGH verlangt, dass auch solche Vereinbarungen „ausreichend präzise“ sind
8 EuGH & BAG Rechtsprechung – die wichtigsten Entscheidungen
Datum |
Gericht |
Kernaussage |
30. 03. 2023 |
EuGH C-34/21 |
§ 26 BDSG zu allgemein, muss Art. 88 DSGVO genügen |
09. 05. 2023 |
BAG 1 ABR 14/22 |
§ 26 BDSG nur wirksam, wenn „spezifisch“ genug; verweist auf EuGH |
25. 07. 2024 |
BAG 8 AZR 225/23 |
Detektiv-Observation = Gesundheitsdaten; 1 500 € Schadensersatz, kein höherer Anspruch |
Konsequenz: Jede Maßnahme muss dokumentiert werden; Verstöße kosten – neben Bußgeldern – Reputation und ggf. Schadensersatz.
9 TOM & Datenschutzfolgeabschätzung (DSFA)
Checkliste DSFA:
Der BeschDG-Entwurf enthält 38 Paragrafen; Highlights:
Gilt § 26 BDSG noch, wenn der EuGH ihn kritisiert?
Ja. Bis ein nationales Gesetz (BeschDG) verabschiedet ist oder der Gesetzgeber § 26 BDSG anpasst, bleibt die Norm anwendbar – aber eng auszulegen.
Wann darf ich Gesundheitsdaten verarbeiten?
Nur wenn es für das Arbeitsverhältnis erforderlich ist (z. B. Gefährdungsbeurteilung) oder eine DSFA & Betriebsrat zustimmen.
Brauche ich immer eine DSFA für Videoüberwachung?
Für offene, weiträumige Kamerasysteme ja; für rein zweckgebundene Zutrittskontrolle ggf. nicht.
Wie lange darf ich Bewerbungsunterlagen speichern?
Sechs Monate nach Absage (§ 15 AGG), außer die Einwilligung erlaubt längere Speicherung im Talent-Pool.
Kommen höhere Bußgelder mit dem BeschDG?
Der Entwurf verweist auf Art. 83 DSGVO (bis 20 Mio. € oder 4 % Umsatz). Neu sind Melde- und Berichtspflichten für KI-Systeme.
Weitere Informationen zum Datenschutz finden Sie auch hier:
https://wiemer-arndt.de/
Schritt |
Aufgabe |
Tool |
1 |
Verarbeitungsverzeichnis prüfen |
ISO 27701-Mapping |
2 |
Rechtsgrundlage wählen (§ 26 Abs. 1/2/4 BDSG) |
Legal-Counsel Review |
3 |
Interessenabwägung dokumentieren |
Abwägungs-Template |
4 |
DSFA durchführen (falls nötig) |
CNIL-Kriterien |
5 |
Betriebsrat beteiligen |
Beschlussprotokoll |
6 |
TOM umsetzen |
ISO/IEC 27001-Controls |
7 |
Mitarbeiter informieren (Art. 13/14 DSGVO) |
Privacy-Notice |
8 |
Löschfristen definieren |
Retention-Policy |
9 |
Schulungen & Awareness |
E-Learning-Modul |
10 |
Audit & Review |
Jährlicher GAP-Check |